Ich habe ein Faible für diesen König.
Ich glaube, wir sind uns ähnlich ein wenig.
Ein vornehmer Geist, hat viel Talent.
Auch ich, ich wäre ein schlechter Regent.
Heinrich Heine über Friedrich Wilhelm IV
Wer ein wenig Interesse für Preussen, Mauer und Gentrifizierung mitbringt, findet in Potsdam Gesprächsstoff an jeder Ecke. Gabi hat daher mit Margit Hattendorf (guide-and-drive.de) eine sehr kenntnisreiche und kurzweilige Führung von der ersten Kurfürstlichen Residenz bis zum Schloss Sans-Souci und durch 400 Jahre preussisch-deutsche Geschichte arrangiert.
Das holländische Viertel, einst gebaut als Anreiz für holländische Handwerker und Techniker, um Potsdams Sumpflandschaft in Kulturlandschaft zu verwandeln, zieht heute bestens betuchte Bürger an, die kein Problem damit haben, 4 Millionen Euro für ein Haus mit ein bißchen Hinterhof auf den Tisch zu legen. Günstig wohnen ist nur noch mit Wohnberechtigungsschein möglich. Wer normale Löhne bezieht und weder WBS, noch 4 Mio hat, guckt derzeit in die Röhre. Das sorgt, sagt Frau Hattendorf, für viel Unmut in der Bevölkerung. Auch die Tatsache, dass die Polizei, aufgrund von Personalmangel, in Potsdam 30.000 Notrufen in den letzten zwei Jahren nicht nachgehen konnte, kommt nicht gut an. Im Umland gibt es schon Gemeinden, in denen eine Bürgerwehr unterwegs ist. Dafür gibt’s zwar Schelte von den Medien, aber helfen tut das nicht, weil sich die Menschen dort zu Unrecht angegriffen fühlen.
Frau Hattendorf vergleicht die Situation um 1620 mit heute, wenn es um Zuwanderung geht. Damals metzelten die katholischen Franzosen ihre protestantische Hugenottenminderheit. Der preussische Kurfürst bot den Hugenotten staatlichen Schutz und Religionsfreiheit, wenn sie sich in Potsdam ansiedeln und nützlich machen. Dabei galt der Vorbehalt: wer sich nicht einbringt oder staatsgefährdend verhält, wird des Landes verwiesen. Der Zuzug bestens ausgebildeter Flüchtlinge hat Brandenburg gestärkt. Im Gegensatz dazu sei die Aufnahme von Flüchtlingen heute an keine Bedingung gebunden und demokratische Freiheiten genössen auch diejenigen, die anderen diese Freiheit nicht zugestehen. Gesellschaftlicher Nutzen entstehe aus dem Flüchtlingsstrom nicht. An vielen Stellen wird die Enttäuschung über die Entwicklung nach der Wende deutlich und die Erwartung, dass der Staat entschlossener und gerechter eingreift. Gabi sagte später, wenn dies die Stimmung im Osten widerspiegelt, könnte die Bundestagswahl im Herbst ein ziemlicher Erdrutsch werden. Ich hoffe auch, dass das Stimmungbild überzeichnet war.
Mit dem SAP-Gründer Hasso Plattner und Günther Jauch gibt es aber auch Potsdamer Neubürger, die viel Geld und Engagement in die Erneuerung der Stadt investieren. Hasso Plattner hat seine Universität hier gegründet und den Wiederaufbau historischer Gebäude (mit-)finanziert. Dazu zählt auch die Villa Barberini neben der Residenz, die eigentlich Plattners Kunstsammlung als Stiftung aufnehmen sollte. Dazu kam es dann doch nicht, weil Gesetzesänderungen dem Staat Zugriff auf die Werke an der Stiftung vorbei ermöglichen. Jetzt ist die Villa Barberini ein Museum ohne eigenen Bestand. Heute war dort noch eine Wanderaustellung impressionistischer Werke zu sehen. Was danach kommt, ist unklar. Gabi hatte klugerweise schon Karten besorgt und wir haben geschaut, was wir schon aus Wuppertaler und Bonner Austellungen kannten. Ich habe mal die Bilder fotografiert, die ich gerne auf dem Geburtstags- oder Gabentisch wiederfinden würde 😊 Mit Slevogt und Caillebotte gibt es auch zwei Neuzugänge im Impressionisten-Einkaufswagen.
Nach dem Museum waren wir beide fußmüde und sind zurück zu unserem Inselhotel gefahren. Mit einer Weißweinschorle haben wir es uns auf der Terasse gemütlich gemacht, die zu unserem Zimmer gehört. Zum Abendessen waren wir wieder im Hotelrestaurant. Es ist schon sehr angenehm, wenn das Auto stehen bleibt und der Grappa ohne schlechtes Gewissen bestellt wird.
Entspanntes Frühstück mit Blick auf den See
Kleiner Hinterhof beim NH Hotel Potsdam und Udo Walz Friseurladen
Boutique im holländischen Viertel
Mit Frau Hattendorf auf dem Weg zum Schloss Sans-Souci
Friedrich Wilhelm IV (Bob der Baumeister) hat sich ein Stück Italien in Potsdam nachgebaut, wenn er schon nicht in Italien leben durfte.
Wegen seiner Abneigung gegen Regierunggeschäfte und seiner Vorliebe für Bauprojekte erhielt er den Beinamen „Der Romantische“. Heine nannte ihn unfähig (siehe oben) und sein eigener Bruder schlicht „Memme“ oder „Schwätzer“.
Für seine aus Bayern stammende königliche Gemahlin hat er gleich noch ein wenig Almwiese als Lustgarten anlegen lassen.
Direkt hinter diesem Garten liegt die zentrale Allee zum Schloß Sans-Souci
Max Slevogt, Reitergruppe im Wald, 1902
Gustave Caillebotte, Die Brücke von Argenteuil und die Seine, 1882
Impressionisten und graue Wände passen prima zusammen!
Claude Monet, Kante der Steilküste bei Pourville, 1882
Claude Monet, Die Rosensträucher im Garten von Montgeron, 1876
Unser Weg vom Alten Markt mit dem Obelisken bis zum Schloss Sans-Souci
4 km Anfahrt vom Hotel und Kurverei bis zum Parkplatz muss man abziehen und die Tour startete zwei Stunden später (falsche Zeitzone im GPS?)