Nichts bedarf so sehr der Reform wie die Gewohnheiten der Mitmenschen
Mark Twain
Fremdschämen gehört zu Gruppenreisen, wie Seekrankheit zur Kreuzfahrt. beim Frühstück war viel los und am Toaster eine lange Schlange, weil eine mitreisende Dame erst mal acht Toasts für sich selbst klar machen musste. Gabi war froh, Ihre „No, I’m not German“-Tarnkappe dabei zu haben.
Frühstück war sehr früh, aber ansonsten OK – allerdings keine Eggs Benedict und Hash Browns gesichtet. Mit dem Bus ging es zuerst in ein Industriegebiet in der Nähe von Boston zum John F. Kennedy Presidential Library and Museum. Ein total beeindruckendes Gebäude von I.M. Pei, der auch die Louvre-Pyramide entworfen hat.



Die Kennedy-Ausstellung und die Bibliothek schließen an eine mehrgeschossige, freitragende Glasfassade an und es hat den Eindruck, dass das Gebäude in einem riesigen Wintergarten steht. Obwohl man drinnen ist hat man doch einen weiten Blick über die Bucht und auf die Boston Skyline. Allein für den Blick lohnt sich der Besuch. Das Gebäude liegt in der Einflugschneise des Flughafens und dicke Maschinen schweben über dem Glasdach vorbei. Gabi und ich haben diese Einstellung schon in einem Film gesehen, aber wir kommen nicht darauf, welcher Film das war. Falls jemand einen Tipp hat, mailt bitte , damit wir wieder schlafen können.



Die Kennedy-Ausstellung ist ebenfalls grandios gemacht. In einen Kino gibt es eine Einführung mit privaten und öffentlichen Filmaufnahmen , die den Zeitraum bis zur Nominierung als demokratischer Presidentschaftskandidat abdeckt. Den Präsidentschaftsjahren 1960 bis 1963 ist dann die anschließende Ausstellung gewidmet. Die Räume sind denen im Weißen Haus nachempfunden und das Laufen auf dem armdicken Teppich entlang elfenbeinfarben getäfelter Wände löst den spontanen Wunsch aus, Memoiren zu schreiben oder auf eine Runde Golf in den Country Club zu fahren.



Hier gibt es neben Kuba-Krise, afro-amerikanischer Bürgerrechtsbewegung und Berliner Mauerbau auch viel aus dem gesellschaftlichen Leben der Präsidentenfamilie zu sehen. Gabi gefiel der Tischplan sehr gut, den der Kalligraf des Präsidenten (erstaunlich, welche Posten es gibt) für einen Empfang des französischen Kultusministers André Malraux im Blauen Salon angefertigt hat.


Ich hätte am liebsten die Replika von Michelangelos Pieta aus dem Haus geschmuggelt, die Kennedy von Papst Paul V als Gastgeschenk erhalten hat.

Bemerkenswert fand ich, dass das Attentat auf John F. Kennedy nur indirekt dokumentiert wurde. In einem schlicht gehaltenen Durchgang lief auf vier kleinen, in der Wand verteilt angeordneten Monitoren der Ausschnitt mit dem fassungslosen Nachrichtensprecher, der den Tod des Präsidenten bekannt gibt und die Aufnahmen von der Beisetzung. Wie bei den Anschlägen auf das World Trade Center war das bestimmt auch ein Moment, wo alles in den Hintergrund tritt und die ganze Welt fassungslos dieselben Bilder immer wieder schaut.
Ich war überrascht, dass Kennedy 1960 gegen Richard Nixon angetreten ist. Gewonnen hat er knapp – mit einem Vorsprung von 130.000 der insgesamt 69.000.000 Stimmen. Hat Nixon eigentlich Lyndon B. Johnson direkt bei der nächsten Wahl abgelöst oder gab es noch einen Präsidenten zwischen Johnson und Nixon?
Nachtrag; Wikipedia sagt, dass Lyndon B. Johnson wiedergewählt und Nixon erst am 20. Januar 1969 vereidigt wird.


Plimoth Plantation
Der Nachbau der Mayflower in Plymouth und die rekonstruierte Pilgersiedlung Plimoth Plantation war der nächste Stopp. Hat uns beide aber nicht besonders beeindruckt. Wir fragen uns, warum die Mayflower eine derartige Bedeutung für US Amerikaner hat, wo es doch schon mehrere Kolonien im Süden gab und die Puritaner nur eine Minderheit der Einwanderer stellten.







Adlerauge Gabi hat nicht nur einen Biber entdeckt, sondern auch wieder ein Streifenhörnchen gesichtet. Diesmal ist es nicht gleich verschwunden, sondern ist fleissig hin und her gelaufen. Da hat es dann auch mit dem Foto geklappt.


Von Plimoth Plantation ging es nach Dennis auf Cape Cod zu einem sehr netten Hotel mit vielen kleinen Appartementhäusern, wo wir gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang ankamen und noch ein paar Fotos machen konten, bevor es dunkel wurde. Im großen, aber in der Nachsaison leeren Lighthouse Inn haben wir mit Meeresblick und dem fernen Leuchtfeuer auf Martha’s Vineyard noch gut gegessen und uns mit Frank aus Gelsenkirchen unterhalten.





Morgen soll es noch sonniger werden. Beste Voraussetzungen für den Strandspaziergang und den Ausflug nach Provincetown.
Hier noch die heutige Strecke.
